Friedrich Nolte, München (Germany):Auf dem Wege zu einer ganzheitlichen Sexualität des Menschen - von Hellas zum Jahre 2000Wir befinden uns zur Zeit in einer Epoche dramatischer Umwälzungen, sozial-sexueller Rollenverschiebung und Neuorientierung, die zu gravierenden gesellschaftlichen Veränderungen führen werden.Renommierte Sexologen sprechen davon, daß erstmals in der Geschichte der Menschheit sexuelle Orientierungsänderungen in der Gesellschaft zu direkten politischen und sozialen Folgen führen. Es wurde in diesem Kontext auch von einem entstehenden "Sexualfaschismus" in Europa und den USA gesprochen. Vor diesem Hintergrund werden mit Hilfe der psychohistorischen Methode im sprachkritisch-kulturanthropologischen Ansatz althergebrachte und überholte Wirkungsmechanismen sexueller Rollenzuschreibung und ihrer sozialen Auswirkung einer grundsätzlichen Kritik unterzogen und einem holistischen Modell ganzheitlich-integrativer menschlicher Sexualität gegenübergestellt. Hierbei soll in Anlehnung an das Menschenbild der Antike mit seiner Forderung nach (und partiellen Verwirklichung von) sexueller Autonomie eine neue Begriffsregelung erarbeitet werden, die auch für den Bereich der Sexualwissenschaften von einer ganzheitlichen Definition menschlicher Sexualität ausgeht und die Fragmentarisierung menschlichen Lebens, wie wir es derzeit in allen Bereichen feststellen, überwinden hilft. Restaurativ-repressiven Prozessen, die sogar Erkenntnisse und Erfolge der Sexualwissenschaften gern wieder rückgäng machen möchten, muß entgegenwirkt werden. Auch in der Sprache des alltäglichen Umganges sollten wir daher unsere Wahrnehmung schärfen und nicht mehr von "homo-, bi- und heterosexuellen" Menschen reden, sondern vom "sexuellen Menschen" mit seinen vielfältigen Möglichkeiten und Facetten, die alle aus der gleichen Quelle gespeist werden. Die Erörterung dieses Aspektes in der sexualwissenschaftlichen Diskussion ist m. E. gerade auf einem Kongress, der das Jubiläum der Schwulenbewegung feiert, von Relevanz, da diese Gruppen einen wesentlichen Beitrag zur sexuellen Emanzipation und Liberalisierung der Gesamtgesellschaft geleistet haben.
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English translation: Towards an Integrated Human Sexuality: From Hellas to 2,000 A. D.We are right now amidst an epoch of dramatic social revolutions, socio-sexual roll shifts, and new orientations which will lead to marked social changes.Renowned sexologists talk about sexual orientation changes in society leading, for the first time in the history of mankind, to direct political and social consequences. In this context even something like a beginning "sexual fascism" in Europe and the United States has been suggested. In the light of this situation, traditional and outdated mechanisms of sex and gender roll attributions and their social effects are to be subjected to a fundamental critique. They are to be contrasted by a holistic model of an integrated, "unified" human sexuality In so doing, a new conceptuality is to be found which, leaning on Antiquity and its demand for (and partial realization of) man's sexual autonomy, will lead to a new view of the sexualities, overcoming the present fragmentarization to be found everywhere. Repressive-restorative tendencies aiming at undoing the insights and successes of sexology are to be strongly counteracted. Thus, in our everyday's language we should no longer refer to women and men as being "hete-ro-, homo- or bisexual" but just "sexual" - realizing the full potential with its many possible facets all being fed by the same source. A sexological conference celebrating "100 Years of Gay Liberation" should do well to discuss this aspect, since it was this very liberation movement that contributed decisively to the emancipation and liberalisation of society as a whole.
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