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Gerhard Vowinckel, Hamburg:

Verwandschaft, Sexualität und Gene

Verwandtschaft war das wichtigste soziale Bindemittel vormoderner Gesellschaften. Verwandtschaftliche Beziehungen strukturierten das Zusammenleben und waren Grundlage für die Zuweisung der Menschen auf gesellschaftliche Positionen. Von ihnen hingen ihre Lebenschancen fast vollständig ab. Standesgemässe Heiraten und legitimer Nachwuchs waren für die Verlässlichkeit der sozialen Beziehungen und das Lebensschicksal der Mitglieder von Verwandtschaftsgruppen von existentieller Bedeutung. Daher war Sexualität entsprechend den Erfordernissen z. B. der „Geschlechtsraison“ streng geregelt. Zusammen mit der Verwandtschaft haben auch Sexualität und Kinderkriegen in modernen Gesellschaften frühere Funktionen zu einem guten Teil eingebüsst. Die Funktionsentlastung hat teilweise zu einer Deregulierung geführt, die „natürlichen“, genetisch vorprogrammierten Bedürfnissen freieres Spiel lässt, als die Lebensbedingungen archaischer Gesellschaften.

Zur Person:

Gerhard Vowinckel, Prof. Dr. phil., Jahrgang 1946. Er studierte Soziologie, Volkswirtschaftslehre, Psychologie und Biologie an der Universität Hamburg. Nach der Diplomprüfung (Dipl.-Soz. 1973) war er Mitarbeiter an einer wissenschaftlichen Begleitstudie zur „Sesamstraße“. Er promovierte 1978 über den selbstentwickelten „Beziehungstest“, ein vorsprachliches Untersuchungsverfahren für Kinder im Vorschulalter. Seit 1976 war er in verschiedenen Funktionen an der Universität der Bundeswehr Hamburg tätig. Er habilitierte sich mit einer Untersuchung über die Zivilisation der Affekte und ihres körperlichen Ausdrucks und wurde 1983 zum Privatdozenten an der Universität Hamburg ernannt (apl. Professor seit 1998). Die Habilitationsschrift verbindet historisch-soziologische Analysen mit biologischen und entwicklungspsychologischen Denkansätzen. Auf dieser Linie einer Integration von biologischen und psychologischen mit soziologischen Theorien bei der Analyse sozial- und kulturgeschichtlicher Gegenstände liegen auch zahlreiche weitere Veröffentlichungen u. a. zu Erziehungsideen, zu Formen militärischer Organisation, zur Evolution der Moralbegriffe usw. In „Verwandtschaft, Freundschaft und die Gesellschaft der Fremden“ (Darmstadt 1995) verknüpft Gerhard Vowinckel systematisch Theorien der modernen Soziobiologie mit soziologischen Theorien und Forschungsergebnissen. In „Gesinnungstäter und Strategen. Politisch-moralische Denkformen und soziale Lebensräume“ (Konstanz 1996) macht er entwicklungspsychologische Typologien moralischen Denkens von Jean Piaget und Lawrence Kohlberg fruchtbar für eine sozialökologische Analyse politisch-moralischen Denkens.

Anschrift:
Prof. Dr. Gerhard Vowinckel
Nerzweg 6
22159 Hamburg
Tel. (040) 6439524
e-mail: GerhardVowinckel@t-online.de

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